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Zweites Frühpädagogisches Netzwerktreffen in Berlin
Zum Aufgabenspektrum der Koordinierungsstelle gehört es, die Vernetzung des Kooperationsprojekts „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ mit den bestehenden Strukturen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ zu unterstützen. Deshalb organisierte die Koordinierungsstelle am 03. April 2019 ein frühpädagogisches Netzwerktreffen und lud die im Elementarbereich angesiedelten Projekte aus dem Bundesprogramm nach Berlin ein. Viele Programmpartnerinnen und -partner folgten dieser Einladung.
Der erste Teil der Veranstaltung widmete sich der Frage, wie es mit dem Bundesprogramm in der neuen Förderphase 2020-2024 weitergeht. Thomas Heppener vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend begrüßte die Teilnehmenden und gab Einblicke in die neue Programmarchitektur. Die bisherige Förderung der Strukturentwicklung zum bundeszentralen Träger werde ab 2020 durch die Förderung von so genannten Kompetenzzentren und -netzwerken, die sich spezifischen Themenfeldern widmen, abgelöst. Die Umsetzung von Modellprojekten werde künftig in den drei Themenbereichen „Vielfaltsgestaltung“, „Demokratieförderung“ und „Extremismusprävention“ erfolgen. Im Anschluss dankte Thomas Heppener den anwesenden Projektträgern und würdigte ihr Eintreten gegen Ausgrenzung und Diskriminierung sowie ihr Engagement für Demokratie und Vielfalt.
Nach der Beschäftigung mit den förderrechtlichen Rahmenbedingungen stellten die Teams der wissenschaftlichen Begleitung (Deutsches Jugendinstitut München/Halle) der Programmbereiche D und G verschiedene Weiterentwicklungspotentiale für den frühpädagogischen Bereich vor. Anhand von vorformulierten Thesen diskutierten die Teilnehmenden anschließend in Kleingruppen.
Eine These beispielsweise lautete: „Kitas sollten Ankerpunkte im Gemeinwesen sein und sowohl die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Eltern bzw. Familien stärken als auch den weitergehenden Sozialraum miteinbeziehen. Wie könnten sie dies unter dem Blickwinkel der Partizipation systematisch angehen?“
In der Diskussion wurde die Relevanz einer stärkeren Vernetzung von Einrichtungen im Kita nahen Sozialraum unterstrichen, doch oft würden den Einrichtungen die dafür nötigen finanziellen und personellen Ressourcen fehlen. Insbesondere den Fachberaterinnen und -beratern wurde hierbei eine besondere Mittlerfunktion zugesprochen, die es zu stärken gilt, um Einrichtungen mit anderen Trägern, Einrichtungen oder auch Politik zu vernetzen.
Eine weitere These befasste sich mit den Bereichen Grundschule und Hort: „Nicht selten erleben Kinder in der Grundschule und im Hort einen „Kulturschock“ in Bezug auf die (nicht) vorhandenen Mitbestimmungs- und Beteiligungsmöglichkeiten. Deshalb gilt es, Konzepte zu Beteiligungsstrukturen/-gelegenheiten sowohl in Kitas als auch in Grundschulen zu etablieren bzw. (weiter) zu entwickeln. Was sind hier mögliche Zugänge in die Grundschule? Wie können Schulen und Hort hier zusammenarbeiten?“
Die Teilnehmenden schätzten das Thema im Bereich Grundschule als noch weiter ausbaufähig ein. Zwar gäbe es in vielen Bundesländern Förderprogramme, die Beteiligungsprojekte an Schulen unterstützen, wie z. B. das Programm „Kinderrechteschulen“ des Deutschen Kinderhilfswerks, doch immer noch blieben viele Schulen hinter den Kitas zurück. Einen sinnvollen Einstieg in das Thema Beteiligung an Schulen könne z. B. durch zeitlich begrenzte Beteiligungsprojekte (im Rahmen von Projekttagen) erfolgen. Darüber hinaus müsse Partizipation in die Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen integriert werden. Eine stärkere Kooperation von Jugendhilfe und Schule, in Form der Schulsozialarbeit könne dazu beitragen, Schule partizipativer zu machen.
„Vielfalt, Differenz und Diskriminierung aus Kindersicht“
Im zweiten Teil der Veranstaltung wurde der Blick auf die Modellprojekte gerichtet, mit einem Fokus auf die Perspektive der Kinder auf das Themenfeld. Den Anfang machte Anne Backhaus von der Fachstelle Kinderwelten und stellte das Modellprojekt „Antidiskriminierung als aktiver Kinderschutz“, das bei der Initiative „KiDs – Kinder vor Diskriminierung schützen“ angesiedelt ist, vor. Ziel des Modellprojekts ist es, den Schutz vor Diskriminierung als wichtigen Aspekt von Kinderschutz in Kitas zu verankern und diskriminierungssensible Beschwerdeverfahren zu entwickeln. Dabei wurden vier Berliner Modelleinrichtungen begleitet. Zentrale Erkenntnisse aus der Projektarbeit waren u. a., dass Kinder Beschwerden selten explizit äußern und auch auf ganz individuelle Art, z. B. durch Worte, Weinen, Schreien, Beißen, Schweigen usw. ausdrücken. Ob ihre Beschwerden auch wahrgenommen werden, sei dabei abhängig von der Sensibilität und den Beobachtungskompetenzen der Fachkräfte. Kindern fiele es oft leichter mit Menschen über Diskriminierungserfahrungen zu sprechen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, sich in der Vergangenheit gegen Diskriminierung positioniert haben und zu denen eine vertraute Beziehung besteht. "Geeignete" Beschwerdemöglichkeiten, wie sie seit 2012 gesetzlich vorgeschrieben sind, seien erst dann umgesetzt, wenn sie für alle Kinder in der Kita geeignet sind.
Danach stellten Natalie Papke-Hirsch und Sigrid Selzer das Projekt „Kita Differenzsensibel“ vor. Ausgehend von der Frage, wie die Differenz und Heterogenität von Lebensweisen in Kindertageseinrichtungen wahrgenommen und bewertet werden, wurden mittels einer Explorationsstudie neben Fachkräften und Eltern auch Kinder in den sechs teilnehmenden Modellkitas befragt. Hauptziel des Projekts war es, Kinder in einem differenzsensiblen und diskriminierungskritischen Aufwachsen zu stärken. Dazu erhielten die Fachkräfte in den Einrichtungen über die Projektlaufzeit hinweg Fortbildungen und Trainings zur Sensibilisierung für Heterogenität und differenzsensibles pädagogisches Handeln. Aus den Erfahrungen im Projekt wurden konkrete Praxismodule wie z. B. Handreichungen, Audio- und Videomaterialien für die Arbeit mit Kindern und Familien entwickelt.
Anschließend wurde das Modellprojekt „KiWin – Mit Kindern in die Welt der Vielfalt hinaus – Inklusion fördern, Exklusion verhindern“ von Denise Mikoleit und Prof. Dr. Katrin Reimer-Gordinskaya erläutert. Ziel des Projekts war es – ausgehend von der Frage „Wie nehmen Kinder Vielfalt wahr und wie gehen sie damit um?“ – Methoden der Vielfaltspädagogik im Elementarbereich zu erproben. Umgesetzt wurde das Modellprojekt in Zusammenarbeit mit vier Kindertageseinrichtungen aus dem ländlichen Raum im Landkreis Stendal. Anhand von teilnehmenden Beobachtungen in den Einrichtungen und mittels einer Ist-Standanalyse zu bestehenden Ansätzen und Methoden, Workshops und Fortbildungen für Fachkräfte sowie mit Fachveranstaltungen wurde ein modulares Informationstool entwickelt, welches Fachkräfte insbesondere im ländlichen Raum beim Umgang mit Vielfalt unterstützen soll. Langfristig soll das Informationstool nachhaltig in Kindertageseinrichtungen sowie in Lehre und Ausbildung verankert werden.
Anschließend tauschten sich die Teilnehmenden gemeinsam über ihre Erfahrungen in der Projektumsetzung aus. Dabei wurden zwei wesentliche „offene Baustellen“ identifiziert. Zum einen bestehe nach wie vor die Herausforderung einer gelingenden Zusammenarbeit mit Eltern und Familien. Diese gelte es vorurteilsbewusst und auf Augenhöhe zu gestalten. Zum anderen wurde die Kooperation und Vernetzung von Kitas im Sozialraum als eine weitere Herausforderung gesehen. Hierbei stünden Träger und Einrichtungen vor der Aufgabe, die Sozialraumarbeit nachhaltig zu stärken und gleichzeitig die Motivation von Fachkräften dafür zu erhöhen.
Wie auch im vergangenen Jahr war das Netzwerktreffen ein großer Erfolg. Dies zeigte sich nicht zuletzt in den Auswertungsbögen. Die Teilnehmenden beteiligten sich rege an den Diskussionen und wünschen sich auch weiterhin Austauschformate dieser Art.