Demokratie in Kinderschuhen

Mitbestimmung und Vielfalt in katholischen Kitas


Quantitative Forschung zu den Projektthemen – ein Werkstattbericht

„Demokratie in Kinderschuhen. Mitbestimmung und Vielfalt in katholischen Kitas“ ist ein Projekt des KTK-Bundesverbands und Teil des Kooperationsprojekts „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“. Ziel des Projekts ist es, Fachkräfte in katholischen Kindertageseinrichtungen und ihre Träger dabei zu unterstützen, ihre Einrichtungen zu Orten gleichwertiger Vielfalt, demokratischer Beteiligung und gesellschaftlichen Engagements weiterzuentwickeln.

Nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes gibt es in Deutschland 9.399 katholische Einrichtungen mit über 108.000 pädagogischen Mitarbeitenden. Das macht ein Sechstel des gesamten Arbeitsfelds aus. Schon aus statistischen Gründen ist also zu erwarten, dass Herausforderungen, die für das Arbeitsfeld als Ganzes gelten, sich auch katholischen Einrichtungen stellen werden. Konstellationen, die im Arbeitsfeld häufig vorkommen, gibt es auch in katholischen Kindertageseinrichtungen.

Das Projekt „Demokratie in Kinderschuhen“ war von vorne herein darauf ausgelegt, nach Wegen zu suchen, die „in die Breite“ wirken und nicht nur einzelne Projekt-, Pilot- oder Modelleinrichtungen herausgreifen. Zu Beginn stand daher eine „Ist-Stand“-Erhebung zu den verschiedenen Projektthemen und -schwerpunkten. Zentrale Fragen dabei waren:
 

  • Wo stehen die Einrichtungen des KTK im Hinblick auf die Projektthemen?
  • Mit welchen Problemen haben sie zu kämpfen?
  • Wie müssen geeignete Unterstützungsleistungen aussehen?

Solche Erkenntnisse lassen sich über alle Themen durch den Austausch im verbandlichen Netzwerk und durch Einblicke im Rahmen der Qualitätsentwicklung wie Evaluationen und Audits nach dem KTK-Gütesiegel Bundesrahmenhandbuch gewinnen. In der Begrifflichkeit der Sozialwissenschaften wären das „qualitative Forschungsmethoden“. Mit Blick auf die Projektthemen schien jedoch angeraten, diese mit einer quantitativen Perspektive zu ergänzen. Denn die qualitativen Einblicke stimmten zwar darin miteinander überein, dass die Bandbreite sehr groß ist, sagen aber wenig darüber aus, wie sich die Einrichtungen auf dieser Bandbreite verteilen. Darauf kommt es aber an, wenn eine Unterstützungsleistung möglichst vielen Einrichtungen nützen soll.

In den ersten Wochen nach Projektbeginn im Oktober 2017 wurde daher ein Fragebogen konzipiert und in den Folgemonaten mit einer Hand voll Einrichtungen getestet. Methodisch wurde die Befragung als Vollerhebung unter den beteiligten Einrichtungen durchgeführt. Mit den Verbesserungen, die aus diesem Pretest gewonnen wurden, konnte Mitte 2018 dann eine Befragung durchgeführt, zu der über 5.000 Fachkräfte eingeladen waren. Zusätzlich wurde im letzten Quartal 2019 eine Nachher-Befragung mit einem Sample von rund 20 Einrichtungen durchgeführt.

Aus den Erfahrungen in diesem Prozess leitet Matthias Colloseus (Projektleitung beim KTK-Bundesverband) zwei Vermutungen ab:

1. Quantitative Forschung hilft dabei, genau zu werden: Verschiedentlich wurden Zweifel geäußert, ob mit quantitativen Methoden überhaupt handlungsleitende Erkenntnisse gewonnen werden können. Kann mit Fragebögen, Experimenten und Statistik überhaupt erhoben werden, was in puncto Demokratie und Vielfalt in Kindertageseinrichtungen passiert?

Es bringt jedoch weiter, gerade diese methodische Herausforderung anzugehen. Die Konzeption eines Fragebogens macht beispielsweise erforderlich, vieldeutige Kofferbegriffe, die ohne genaueres Hinsehen auch alles oder nichts bedeuten können – und das sind Wörter wie „Demokratie“ oder „Mitbestimmung“, „Vielfalt“, aber beispielsweise auch „Haltung“ – in konkrete „Items“ zu übersetzen. Woran erkennt man denn Demokratie und Vielfalt, wenn man es herunterbrechen muss auf Fragen, die ausreichend eindeutig sind, um von hunderten Befragten auf dieselbe Art und Weise verstanden zu werden? Worauf kommt es wirklich an, wenn der Fragebogen so kurz bleiben muss, dass die Kolleginnen und Kollegen angesichts ihrer Arbeitsbelastung tatsächlich die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen?
Die Erfahrungen im Projekt deuten da hin, dass sich solche Arbeit lohnt. Beispielsweise wurde der erarbeitete Fragebogen in einigen Teams auch unabhängig von der Befragung als Reflexionshilfe herangezogen.

Andere stellen sich der Herausforderung, geeignete Experimente zu entwerfen. Beispielsweise hat die Fachhochschule Koblenz in einem Forschungsvorhaben Rassismussensibilität in rheinland-pfälzischen Kitas untersucht. Die Ergebnisse und Verfahren sollen demnächst publiziert werden. Sind die Verfahren tatsächlich geeignet, dann können solche Studien Aufschluss darüber geben, was gute (in diesem Fall: rassismussensible) Arbeit ist, wo Verbesserungsbedarfe bestehen und wo klare Widersprüche zum Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe liegen.

2. Demokratie und Vielfalt sind Schnittstellen von Fachlichkeit und Persönlichkeit: An wen ist gedacht, wenn von „den Erzieher*innen“ gesprochen wird? Merkt man nicht bereits daran, dass eher „die Erzieherinnen“ ohne Gender-Stern gesagt wird, dass an bestimmte Typen gedacht ist?

Eine quantitative Betrachtungsweise zeigt: ein Arbeitsfeld mit über 620.000 pädagogischen Beschäftigten muss die ganze Bandbreite an Persönlichkeiten, Eigenschaften und Einstellungen enthalten – wenn auch nicht immer repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Wenn sich zeigt, dass Persönlichkeiten und Einstellungen damit korrelieren, wie die Projektthemen wahrgenommen und angegangen werden, belegt das, was auch viele Fortbildnerinnen und Fortbildner sagen: Angebote in den Projektthemen können nicht auf ein rein fachliches (Fort-)Bildungsangebot beschränkt bleiben. Sie müssen ganz unterschiedliche Persönlichkeiten mit ihren jeweiligen Erfahrungen adressieren können. Das ist ein starkes Argument dafür, nicht nur menschenrechts- und demokratieorientierte Inhalte in der Ausbildung stark zu machen, sondern sich auch zu fragen, ob die Möglichkeiten geboten und die Kompetenzen vermittelt werden, diese Inhalte als Erfahrungen biografisch anzueignen und auf entsprechende Hindernisse zu reflektieren. Im Fortbildungsbereich ist – auch das entspricht den Erfahrungen der Praxis – auf Teamfortbildungen zu setzen.

In den letzten beiden Jahren wurden im Projekt „Demokratie in Kinderschuhen“ weitere Materialien für die pädagogische Praxis entwickelt. Dies waren u. a.:
 

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie auch auf den Seiten des KTK-Bundesverbands.

Frau steht inmitten von sechs Kindern, die sie umarmen. Die Frau lächelt freundlich.
©svetikd/iStock

Kontakt

Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder – KTK-Bundesverband e.V.
Karlstraße 40
79104 Freiburg

Matthias Colloseus
T 0761.200 567
matthias.colloseus(at)caritas.de