Kari Bischof-Schiefelbein ist pädagogische Fachberaterin und war viele Jahre Leiterin einer Kindertageseinrichtung. Ausgebildet am Institut für Partizipation und Bildung zur Multiplikatorin für Partizipation und Engagementförderung in Kitas, ist sie als Fortbildnerin für verschiedene Partizipationskonzepte tätig. Darüber hinaus engagiert sie sich im Beirat des Kooperationsprojekts "Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung".
Im Gespräch verrät uns Frau Bischof-Schiefelbein u. a., mit welcher Motivation sie sich für frühe Demokratiebildung einsetzt und welche Rolle Fachberatung dabei zukommt.
Sie sind Fachberaterin und seit vielen Jahren als Multiplikatorin für Partizipation und Engagementförderung, unter anderem für das Konzept „Kinderstube der Demokratie“ unterwegs. Was motiviert Sie, sich mit den Themen Demokratiebildung und Partizipation beruflich zu beschäftigen?
Wir alle tragen Verantwortung für die Gesellschaft, in der wir leben (wollen). Wenn wir Erwachsene wollen, die sich einmischen, müssen wir sie als Kinder beteiligen. Das Konzept „Kinderstube der Demokratie“ ist für mich der Schlüssel zur konsequenten strukturellen Umsetzung von Beteiligung von Anfang an. Die Kinderstube der Demokratie gibt den pädagogischen Fachkräften in seiner inhaltlichen und methodischen Ausgestaltung die Möglichkeit, sich in einen konsequenten Selbstbildungsprozess in Sachen Kinderrechte und Beteiligung zu begeben. Wer sich einmal in diesen Prozess begeben hat, wird die eigene Biographie und die ihm anvertrauten Kinder in einem anderen Licht sehen. Pädagogische Fachkräfte gestalten mit ihrer Arbeit Gesellschaft. Dies zu erkennen und gleichzeitig demokratische, verbindliche Rechte und Beteiligungs- und Beschwerdestrukturen zu schaffen, ist nichts Geringeres als Demokratiebildung.
Vor Ihrer Tätigkeit als Fachberaterin waren Sie Kita-Leiterin. Was hat Sie dazu bewogen, von der Kita-Leitung in die Beratungspraxis zu wechseln?
Die Nachfrage von Einrichtungen und Trägern nach Beratung und Begleitung bei der Umsetzung von Partizipation und Inklusion sowie bei der Konzeptionsentwicklung wuchs in den letzten Jahren stetig. Die Chance, Erfahrungen auf so unterschiedlichen Ebenen, mit so vielfältigen Institutionen, Trägern, Einrichtungen und Konzepten machen zu dürfen und mit so vielen unterschiedlichen Menschen zusammenzuarbeiten, empfinde ich als Geschenk. Daher habe ich diesen Schritt gewagt und „meinem“ Kita-Team, Eltern und Kindern sowie dem Leitungskollegium bei einem wirklich tollen Träger nach 13 schönen und bereichernden Jahren Ende September 2018 „Tschüss“ gesagt – wohlwissend, dass ich sie alle sehr vermissen werde.
Als pädagogische Fachberaterin begleiten Sie Kitas auf dem Weg zu (mehr) Demokratiebildung. Welche Hürden gibt es, wenn es darum geht, Beteiligungsrechte von Kindern in Kitas zu etablieren?
Sehr häufig fehlt es an Zeit, Geld und der Möglichkeit der Prozessbegleitung durch bspw. pädagogische Fachberatung. Ich gebe regelmäßig Fortbildungen in Einrichtungen, in denen nicht gänzlich geschlossen werden kann/darf, sodass nicht alle aus dem Kollegium teilnehmen können, weil „nebenher“ Betreuung stattfindet.
Ich erlebe Kita-Teams, die ihre Samstage opfern oder Brückentage nicht für Überstundenabbau oder Urlaub, sondern für Teamfortbildungen nutzen. Außerdem sind die finanziellen Ressourcen der Einrichtungen sehr unterschiedlich. Es kommt nicht selten vor, dass ein dreitägiges Fortbildungsmodul in zwei Teile und auf zwei Jahre gesplittet werden muss. Wenn es dann noch an einer Prozessbegleitung wie der Fachberatung fehlt, ist es schon bewundernswert, mit welch hoher Motivation und mit wie viel Kraft- und Zeitaufwand sich die Einrichtungen auf den Weg zu mehr Beteiligung machen.
Wie kann Fachberatung dazu beitragen, die Kindertagesbetreuung bzw. die pädagogische Praxis demokratischer zu gestalten?
Fachberatung muss meiner Meinung nach vor allem partizipativ-methodische Moderationskompetenzen mitbringen, um pädagogische Fachkräfte bei der demokratischen Ausgestaltung und (Weiter)Entwicklung der pädagogischen Arbeit zielführend beraten und begleiten zu können. Dabei muss pädagogische Fachberatung sehr klar in ihrer Rolle sein und sich positionieren, wenn sich pädagogische Fachkräfte nicht im Sinne des demokratischen Bildungsauftrages und Kinderschutzes verhalten bzw. ihre pädagogische Arbeit nicht daran ausrichten. Allerdings sind die Bedarfe der Kita-Teams extrem vielfältig. Die einen benötigen vielleicht Unterstützung bei der Suche nach den passenden Fortbildungskonzepten, die anderen eher Unterstützung bei der Konzeptionsentwicklung oder der Strukturierung betriebsorganisatorischer Abläufe. Ich denke, je konsequenter die pädagogische Fachberatung die Teams auf der Suche nach dem eigenen, für sie passenden Weg beteiligt, desto eher gestalten diese ihre Arbeit auch demokratisch aus. Außerdem ist pädagogische Fachberatung für mich ein sehr wichtiges Sprachrohr der pädagogischen Fachkräfte, das deren Leistungen und Bedarfe gegenüber Träger, Sozialraum und Politik, transparent machen kann bzw. sollte.
Durch Ihre berufliche Praxis als Fachberaterin und Multiplikatorin sind Sie mit verschiedensten Beteiligungsmethoden und -instrumenten vertraut. Welches ist Ihr persönliches „Lieblingsinstrument“, und weshalb?
Die strukturelle Verankerung der Beteiligungsrechte und Beschwerdeverfahren in Form einer Kita-Verfassung nach dem Vorbild Kinderstube der Demokratie ist für mich ganz klar gelebte Demokratie. Dieses Fortbildungskonzept fordert Teams heraus, sich zu positionieren und sich mit den Rechten der Kinder konkret auseinanderzusetzen, diese verbindlich in ihrer Einrichtung zu verankern und die pädagogische Arbeit immer wieder an diesen Rechten auszurichten. Wenn dann (immer mehr) Entscheidungen mit den Kindern (statt für sie) getroffen werden, geht es im Alltag um die Ausgestaltung mit Hilfe konkreter Methoden.
Eine konkrete Methode zur Entscheidungsfindung im pädagogischen Alltag ist die Konsensmethode „einig-uneinig“. Jede und jeder kann sich mit seinen Bedürfnissen, Wünschen und Ideen einbringen und positionieren. Es ist bestimmt nicht die „schnellste“ Methode, aber mit ihr sind wir herausgefordert, einander zuzuhören, andere Meinungen und Bedürfnisse wahr und ernst zu nehmen und Kompromisse zu schließen. Mit dieser Methode können wir uns gemeinsam auf die Inhalte und Impulse konzentrieren, zu denen ein breiter Konsens herrscht. Sie fordert uns gleichzeitig heraus, allen Beteiligung zu ermöglichen. Allerdings lebt sie für mich ganz klar von der sensiblen und strukturierenden Moderation, damit niemand ausgegrenzt wird.